Stacks Image 2729

Etappe 02


09.04.2017

Wostra - Dresden - Mühlberg => 88,4 km 4:43 h, 189 hm

Am frühen Morgen werde ich von einem Vogelkonzert geweckt. Ich höre mindestens 5 verschiedene Gesänge. Aber es ist früh, kurz vor 6 Uhr. Ich lausche dem Singsang und wache dabei langsam immer mehr auf. Mein Blick schweift im Zelt herum. Ich ärgere mich, wieviel Kondenswasser sich gebildet hat. Auch die Hülle meines Schlafsackes ist komplett nass! Aber ich bin zum Glück trocken, es ist wirklich nur die Hülle meines Daunenschlafsackes. Aber den muss ich trocken bekommen, bevor ich weiter fahre. Also schäle ich mich vorsichtig raus, bloß nicht irgendwo gegen das Zelt stoßen, sonst regnet es!
Erstmal gehe ich los zum waschen. Die Tür zum Männerwaschraum öffne ich und werde gleich von einem Mann begrüßt. Er nimmt die Gelegenheit wahr und erzählt mir in den kommenden 10 Minuten sein ganzes Leben. Das er mit seinem T3 Camper unterwegs ist, den er schon 27 Jahre hat. Das er über 80 Jahre alt ist. Das er damals mit dem Fahrrad aus Dresden abgehauen, oben bei Travemünde über die Grenze in den Westen ist. In Westdeutschland ist er dann ein Dreiviertel Jahr ohne Geld immer mit dem Rad unterwegs. Im Ruhrpott hat er Arbeit als Bauarbeiter gefunden und lebte dann dort. Nun fährt er mit seinem Camper die Gegend ab und besucht seine Heimat, wo er als Kind lebte. Er ist morgens zwischen 5 und 6 Uhr über die großen Brücken in Dresden gefahren, ganz alleine, kein Auto in der Nähe. Und noch so manch anderes hat er in seinem Bericht erzählt. Dann verabschiedet er sich und geht raus. Ruhe im Waschraum, mein Kopf dreht sich von der morgendlichen Beschallung. Ich bin froh, dass ich mich nun in Ruhe fertig machen kann.

Zurück beim Zelt hole ich den Schlafsack raus und breite ihn über einer Tischtennisplatte aus. Diese steht in der Sonne, da sollte es mit dem trocken nicht allzu lange dauern. Ich baue das Zelt ab, hänge es auch in die Sonne. In meinen Satteltaschen finde ich etwas zum futtern und genehmige mir ein kleines erstes Frühstück.
Nach einer halben Stunde ist mein Schlafsack zum Glück soweit trocken, dass ich ihn einpacken kann. Auch das Zelt wird auf dem Gepäckträger verzurrt und ich starte meine heutige Tour.
In Leuben treffe ich eine ältere Dame und frage sie nach einer Bäckerei. Ihr fällt keine ein, wo ich etwas frühstücken kann. Also halte ich bei einer Tankstelle an und genehmige mir dort einen Kaffee und ein Brötchen, das überraschend lecker ist. Gut gelaunt führt mich mein Weg weiter Richtung Dresden, natürlich nicht auf dem Elberadweg, sondern mal wieder auf einer Umleitung. Da diese aber nicht so lang ist, bin ich schnell wieder an der Elbe, in der Sonne, unterwegs.
Stacks Image 3254
Es dauert nicht lange, da sehe ich auf der gegenüberliegenden Elbseite eine Schwebebahn. Später erfahre ich, dass es die älteste Bergschinenschwebebahn der Welt ist. Sie verbindet Löschwitz mit Oberlöschwitz und wurde am 06. Mai 1901 eröffnet. Ich möchte nun aber nicht alles aufzählen, was ich am Wegesrand gesehen habe. Aber einen kleinen Geheimtip verrate ich: Wer alte Bauwerke mag, also Brücken, Villen, Kirchen, Häuser usw., der sollte sich mal Dresden anschauen. Da steht ganz viel altes rum. Einfach mal das Fahrrad schnappen und durch den Ort radeln, auch die Gebäudeansammlungen am Rande Dresdens nicht auslassen.
Aber das ist nicht so meines, deshalb habe ich mir ein paar Dinge nur in der Vorbeifahrt angeschaut.

Es liegt heute noch ein gutes Stückchen vor mir, habe erst 15 km auf dem Tacho stehen. Also links und rechts gucken, zwischen Fußgängern und Radfahrern immer dem Elberadweg folgen und versuchen, schnell den Lärm und die vielen Menschen hinter mir zulassen. Aber das wird nichts! Heute sind viele Ausflugsradler mit mir unterwegs. Da ich etwas schneller vorankomme als die meisten anderen, bin ich ständig am überholen und am ausweichen. Der Erholungseffekt, den ich sonst beim trekkingradfahren habe, will sich nicht so richtig einstellen. Aber das kommt noch!

Stacks Image 3264
Na, wer kennt diesen Turm in Dresden? Es ist der Turm der Katholischen Hofkirche, sie steht neben der Semperoper Dresden. Da ich nichts mit der Kirche am Hut habe, sondern nur das Bild gut fand, fahre ich auch gleich weiter.

Inzwischen liegt Dresden hinter mir und ich schiebe eine Mittagspause, in einem Restaurant, ein. Mein Tisch steht in der Sonne, direkt am Elberadweg. Einen Salat bestelle ich und was zu trinken. Die Sonne scheint direkt auf meinen Tisch, ich schaue mir die anderen Radler an, die vorbei rollen. Eines fällt mir auf, der eBike-Anteil ist extrem hoch, nicht nur beim älteren Semester, auch bei jungen Familien.
Bald bin ich gesättigt und sitze wieder im Sattel, nähre mich Meißen. Es ist schon schön hier unterwegs zusein, die Umgebung gefällt mir. Aber es sind mir noch immer zuviele andere Radfahrer unterwegs. Meißen lasse ich am Wegesrand liegen und fahre weiter, ohne mir ein Bild der Stadt zumachen. Kaum habe ich die berühmte Stadt hinter mir gelassen, schon bin ich alleine auf dem Elberadweg unterwegs. Die meisten Radfahrer scheinen zwischen Bad Schandau und Meißen unterwegs zusein. Sehr gut, nun kann ich in Ruhe die Umgebung genießen, ohne auf andere achten zumüssen und kann mich gedanklich treiben lassen.
Ich komme durch eine schöne Gegend, spüre aber schon ordentlich den Wind, den ich momentan seitlich abbekomme. Nach dem nächsten kleinen Ort ändert sich meine Route, und da ist er, der Gegenwind. Mein Tempo geht auf 15 km/h runter, die aber erkämpft sein wollen. Als alter Rennradfahrer nehme ich die Herausforderung an! So geht es ein paar Kilometer, bis ich mal wieder über die Elbe setzen muss. Leider legt die Fähre gerade ab. Dennoch freue ich mich, denn es ist eine Gierseilfähre, die ich zur Elbquerung benutzen werde.
Gierseilfähre? Was ist denn das schon wieder?!?!? Achtung, Info (in meinen eigenen Worten): Die Gierseilfähre wird von der Strömung des Flusses angetrieben. Ein Stahlseil ist von einer Anlegestelle zur anderen unter der Wasseroberfläche gespannt und stromaufwärts verankert. Wenn es losgehen soll, wird die Fähre leicht schräg in die Strömung gestellt, die Strömung fließt um den Rumpf und treibt so die Fähre an. Auf der anderen Seite wird die Fähre wieder am Gierseil gerade gestellt, und legt am Anleger an.
So eine Fähre ist schon eine tolle Sache, denn sie benötigt keinen Treibstoff für den Schiffsmotor, nur für die Motoren, die die Fähre schräg zur Strömung ausrichten. Und wer hat es erfunden? …nein, nicht die Schweizer. Es waren die Niederländer. Ich sag mal drei von drei grünen Daumen hoch!
Da die Fähre gerade auf dem Weg zum östlichen Elbufer ist, hocke ich mich in den Windschatten eines kleinen Fischerbootes, dass am Ufer als Zierde liegt. Nach einer viertel Stunde kann ich die Fähre entern und mich zur anderen Seite bringen lassen.

Mein Weg führt mich weiter gegen den Wind durch eine flache Landschaft. Ich fahre hinter einem Deich entlang, der mir leider den Wind nicht ganz abhält. Egal, ich habe es nicht mehr soweit bis zum Campingplatz. Die Sonne scheint und ich genieße die Wärme, die ich trotz des Windes spüre. Ich kann komplett in kurzen Klamotten fahren.
Bald wird Mühlberg erreicht, wo der Campingplatz sein soll. Er entpuppt sich als Wasserwanderstation Mühlberg/Elbe. Ein junger Typ kommt auf mich zu und begrüßt mich freundlich. Er zeigt mir, wo ich mein Zelt hinstellen kann: überall hin, total egal. Ich bin der einzige Gast für diese Nacht. Das Finanzielle ist schnell erledigt, das Zelt inklusive 2 gekühlten Flaschen Bier habe ich mit 10 € beglichen.

Das erste Bierchen habe ich mir heute gleich verdient, denke ich. Also genieße ich es und lade dabei mein Rad langsam ab. Das Zelt baut sich auch nebenbei auf. Dabei schweifen meine Augen immer wieder über den See, an dem der Platz liegt. Der kleine See ist direkt an der Elbe. Ich drehe mich um, da merke ich, dass ich alleine auf dem Platz bin. Die Flasche ist alle, ich schnappe meine Duschsachen und gehe in das Gebäude. Damit hätte ich nicht gerechnet! Ein tolles Sanitärgebäude!!! Es ist super sauber, die Toilettenkabinen sind sehr groß, die Duschkabinen noch viel größer! So einen Luxus an Platz habe ich bisher auf keinem Campingplatz erleben dürfen. Und ich habe schon sehr viele gesehen. Ich bin schonmal begeistert von diesem Platz, damit habe ich nicht gerechnet. Aber es wird sich noch ändern…
Nachdem ich meinen Körper nach der Dusche getrocknet und das Handtuch dadurch nass gemacht habe, hänge ich es in die Sonne und stromere weiter über den Platz. Ich schaue in das zweite Gebäude rein, wo der Aufenthaltsraum ist. Mir wurde gesagt, ich dürfte dort auch schlafen, falls mir die Nacht zu kalt sein würde. Ich öffne die Tür und betrete einen Raum, in dem die Wände über und über mit Danksprüchen beschriftet ist. Die Wände hier sind das Gästebuch. Leider finde ich keinen Stift, ich kann mich also nicht dort verewigen. In diesem Raum steht ein bequemes Sofa und eine zusammen geklappte Tischtennisplatte. Im Nachbarraum ist eine super ausgestattete Küche. Es steht Kaffee dort, ich finde diverse Gewürze, die ich nutzen darf, und noch so manch anderes, was in einer Küche nicht fehlen sollte. Alles zur freien Verfügung. Leider kann ich die Küche nicht richtig nutzen, ich habe nur Fertigfutter dabei. Auch die Essecke ist toll: ein großer Tisch mit ner gemütlichen Bank. Es können locker 10 Leute dort sitzen und den Abend verbringen. Und alles picobello sauber. Diesen Platz kann ich nur weiter empfehlen!!!
Am Abend fahre ich ca. einen Kilometer in den Ort und setze mich draußen in einen Imbiss. Eine Kreidetafel hat mir das Wasser im Mund zusammen laufen lassen: frischer Spargel aus der Region mit Lachs und frischen Kartoffeln. Bin ich froh, dass ich hier eingekehrt bin, es schmeckt sehr gut! Das es nur ein Imbiss ist, merke ich nicht, so hätte ich es auch in einem Restaurant bekommen.
Satt und glücklich radel ich zum Platz zurück, genieße noch die zweite Flasche Bier und schaue mir den Sonnenuntergang an. Das schöne auf solch einer Tour ist, man merkt immer wieder, wie glücklich man mit so wenig ist, wie man die Schönheit der Natur genießen kann und dadurch eine innere Zufriedenheit erlangt. Zumindest ergeht es mir so.
Gute Nacht…
Stacks Image 3272
Das Gästebuch auf dem Campingplatz in Mühlberg
Stacks Image 3257